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Lexikon des Holocausts
DAS LAGER BOZEN - veröffentlicht im "Dizionario dell'Olocausto" - Einaudi (Eintrag "Bolzano"). Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Giulio Einaudi AG Turin.
GESCHICHTE
Quellen zur Geschichte des Lagers
Die uns derzeit zur Verfügung stehenden Quellen über das
"Polizeiliche Durchgangslager Bozen / Campo Concentramento-Bozen"
(dies ist der offizielle Name, der auf den wenigen, verbliebenen
Papierdokumenten aufscheint) können in vier Gruppen aufgeteilt
werden: Dokumente und Gegenstände (Dokumente auf Papier
u.a.m.), Videoaufnahmen mit den Zeugnissen der ehemaligen
Deportierten, Aufzeichnungen von ehemaligen Deportierten und
Zeugenaussagen, die im Laufe von Gerichtsermittlungen gesammelt
wurden. Aus sämtlichen Quellen gehen unter anderem
verschiedene Aspekte des täglichen Lebens und der Verwaltung
des Lagers hervor.
Die wenigen Recherchen, die bis heute in italienischen und
ausländischen Archiven durchgeführt wurden, haben das
wenig umfangreiche Quellenmaterial, das es zum Bozner Lager in den
Jahren 1944/45 gibt, leider nicht bereichern können. Einzelne
ehemalige Deportierte haben hingegen zur persönlichen
Erinnerung Dokumente auf Papier und Gegenstände aus dem Lager
aufbewahrt, die teilweise historisch relevant sind und
Aufschlüsse über das Leben im Lager liefern. Es handelt
sich dabei um offizielle, von der Lagerverwaltung ausgestellte
Dokumente, wie z.B. Postscheine, Geldscheine des Lagers,
Haftentlassungsbescheinigungen, Stoffbänder mit
Matrikelnummer, Sträflingsanzüge oder um Dokumente, die
der Kontrolle des Lagers entgangen waren.
Die Stadtgemeinden Bozen und Nova Milanese haben 1996 ein Projekt
gestartet, das die audiovisuelle Erfassung der Erinnerungen von
Überlebenden der nationalsozialistischen Lager vorsieht. Die
Stimmen und die Gesichter der ehemaligen Deportierten stellen bis
heute die wichtigste Informationsquelle über die Geschichte
der Deportation in Italien und über die Lebensumstände in
den nationalsozialistischen Lagern dar. Bei den Interviews wird der
spezifischen Verhaftungs- und Deportationsgeschichte der einzelnen
Überlebenden besonderes Augenmerk geschenkt.
Einige ehemalige Deportierte des Bozner Lagers haben zudem
schriftliche Memoiren verfasst. Ein Teil davon liegt bereits
veröffentlicht vor.
Die Operationszone Alpenvorland
Die Stadt Bozen war Teil der sog. Operationszone Alpenvorland
(OZAV), die am 10. September 1943 eingerichtet wurde.
Die Zone schloss die Provinzen Bozen, Trient und Belluno ein. Bozen
war die Hauptstadt der Zone und deshalb hatten dort eine Reihe von
Diensten, die für das gesamte Gebiet der Zone zuständig
waren, ihren Sitz.
In Bozen wohnte und waltete der oberste Kommissar Franz Hofer
zusammen mit seinem Verwaltungsstab, die Stadt beherbergte das
Sondergericht und es war ein Lager errichtet worden.
In der Operationszone Alpenvorland waren zusätzlich zu den
deutschen Besatzungstruppen auch drei Spezialkorps tätig, die
Polizei- und Überwachungsfunktionen innehatten. In der Provinz
Bozen war dies der sog. Sicherheitsordnungsdienst (SOD).
Das Lager Bozen: Einrichtung und
Führung
Das Areal, auf dem später das Lager Bozen errichtet wurde,
gehörte bis zum Jahr 1925 zur Gemeinde Gries, die 1926 nach
Bozen eingemeindet wurde. Wir werden deshalb im weiteren Verlauf
die Benennung "Lager Bozen" benutzen, da das Lagerareal 1944
eindeutig dem Gebiet der Stadt Bozen zugeordnet war, und nicht die
Benennung "Lager Gries", die irrtümlicher Weise von vielen
verwendet wird.
Nach der Schließung von Seiten der SS des
Pol.-Durchgangslagers Carpi in Fossoli di Carpi im Sommer 1944
übersiedelte ein Teil des NS-Kommandostabs zusammen mit den
Deportierten, die noch nicht in die Lager jenseits der Alpen
übergeführt worden waren, nach Bozen. Zu diesem Zweck
wurde ein militärisches Areal in der heutigen
Reschenstraße benutzt, das als Lagerhalle diente. Im Laufe
der Zeit wurden diesem Gebäude weitere Bauwerke
hinzugefügt. Die "Reschenstraße" stellte damals die
äußerste Grenze des italienischen Arbeiterstadtviertels
der "Semirurali" dar.
Das Lager Bozen war vom Sommer 1944 bis zum 3. Mai 1945 in
Funktion. Lagerkommandant war SS-Leutnant Karl Friedrich Titho,
Vizekommandant SS-Marschall Hans Haage. Sie wurden bei der
Wahrnehmung ihrer verwaltungstechnischen und repressiven Aufgaben
von Militär- und Zivilpersonal unterstützt. Die
Wachmannschaft setzte sich sowohl aus Männern als auch aus
Frauen zusammen. Michael Seifert (Misha), Angeklagter in
Abwesenheit beim Prozess des Militärgerichts Verona, und sein
Kollege Otto Sein - der bis heute spurlos verschwunden ist -, waren
hingegen ukrainische SS-Soldaten, die wegen gewöhnlicher
Straftaten im Lager Bozen inhaftiert waren. Beide dienten
im Lager als Mitarbeiter des Kommandostabes und als Vollstrecker
von Folterungen und Tötungen im Gefangenenblock des
Lagers.
Wie im Falle von Fossoli hing das Lager Bozen
verwaltungsmäßig vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei
und des SD in Italien (mit Sitz in Verona), Wilhelm Harster, ab.
Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind noch keine Dokumente oder
Papiere ausfindig gemacht worden, die diese Beziehung näher
definieren. Es gibt Zeugenaussagen, die andeuten, dass die Liste
mit den Namen der Deportierten, die in die Lager jenseits der Alpen
abgeführt werden sollten, tatsächlich von Verona aus nach
Bozen übermittelt wurden. Wir wissen weder wer diese Listen
zusammenstellte, noch kennen wir die Kriterien, nach denen die
Namen ausgewählt wurden, oder die Häufigkeit, mit der
diese Listen beim Lagerkommando in Bozen eingingen.
Das Lagerareal war in zwei Teile geteilt: auf der einen Seite das
viereckige Militärdepot, das von einer Mauer eingegrenzt war,
die die Hallen umgab, welche später in Blöcke aufgeteilt
wurden, sowie den Hof wo der tägliche Appell stattfand;
außerhalb davon, südöstlich des Depots, befand sich
hingegen eine enge, lang gezogene Fläche, die von der
Umzäunungsmauer aus erreichbar war und wo sich die
Werkstätten befanden, in denen ein Teil der Deportierten
arbeitete (elektromechanische Werkstatt, Tischlerei, Druckerei,
Schneiderei).
Über der Mauer war Stacheldraht gespannt und an den Ecken
waren Wachtürme aus Holz eingerichtet worden, von denen aus
bewaffnete Posten das Lager überwachten.
Sobald das Lager seinen Betrieb aufnahm, wurden die Deportierten
gezwungen, den Zellblock zu errichten, und wahrscheinlich wurden
sie auch für den Bau anderer Gebäude, die vom NS-Stab
benutzt wurden, eingesetzt. Zu den ersten zivilen Deportierten, die
vom Lager Fossoli nach Bozen überführt wurden, kamen im
Laufe der zirka 10 Monate Betrieb viele Tausende hinzu. Die
meistzitierte Schätzung spricht von insgesamt zirka 11.000
Zivildeportierten.
Aus den Zeugenaussagen und persönlichen Erinnerungen der
Überlebenden geht hervor, dass die Verhaftung und Deportation
mit den verschiedensten Begründungen erfolgt war: man wurde
als Sippenhäftling festgenommen und deportiert, oder wegen
antifaschistischer Tätigkeit bzw. bei Verdacht auf
antifaschistische Tätigkeit, oder auch wegen
Wehrdienstverweigerung, Teilnahme an Streiken, echte oder vermutete
Zugehörigkeit zu den Partisanen.
Es gab auch zahlreiche Fälle von Familien, bei denen gleich
mehrere Mitglieder verhaftet und deportiert wurden.
Berichte über Deportierte, die aus "Rassengründen"
(Juden, Zigeuner) festgenommen worden waren, gibt es nur wenige.
Obwohl ihre Anzahl geringer war als jene der "politischen"
Deportierten, ist es erwiesen, dass im Lager Bozen auch Personen
anwesend waren, die aus rassistischen Gründen verfolgt wurden.
Wir wissen außerdem, dass es auch italienische und
ausländische Militärhäftlinge gab. Über genaue
Zahlen verfügen wir jedoch nicht.
So wie es auch in den anderen nationalsozialistischen Lagern
üblich war, wurden die Deportierten bei ihrer Ankunft in Bozen
einer Reihe von Prozeduren unterzogen: Zwangsabgabe sämtlicher
Güter, Entkleidung (die Männer wurden zudem auch kahl
geschoren), Immatrikulierung, Zuweisung zu einer
Häftlingskategorie mittels eines entsprechenden farbigen
Dreiecks, Ankleidung mit dem Sträflingsanzug des Lagers.
Die Identität der Deportierten war im Lager durch die
Matrikelnummer und die Farbe des auf der Devise angenähten
Dreiecks gekennzeichnet. Rot bedeutete "politischer Häftlin",
gelb "Jude", hellblau "Sippenhäftling". Wir wissen nicht,
welche Dreiecke in Bozen Zigeunern und militärischen
Häftlingen zugewiesen wurden.
Die Nebenlager und die Zwangsarbeit
Im Unterschied zu den anderen drei Lagern, die die
Nationalsozialisten in Italien einrichteten, führte das Lager
Bozen weitere "Nebenlagern" in Südtirol. Auch dorthin wurden
Menschen deportiert und mussten Zwangsarbeit leisten.
Zeugenaussagen weisen darauf hin, dass es in der Nähe von
Sarnthein, in Meran (Untermais), in Moos im Passeier, in Karthaus
(Schnalstal), in Sterzing, in Blumau und in Toblach
Außenlager gab.
In der Umgebung der Lager befanden sich außerdem zahlreiche
Zwangsarbeitsstätten, wo die Häftlinge tagsüber
arbeiteten.
Die IMI, eine Kugellagerfabrik, die 1944 von Ferrara nach Bozen in
den Virgltunnel verlegt wurde, war eine dieser
Zwangsarbeitsstätten. Hunderte von deportierten Männern
und Frauen wurden als Zwangsarbeiter bei der IMI eingesetzt, und ab
1945 wurden sie in der nahe gelegenen ehem. Mignone-Kaserne
untergebracht.
Während der Herbstmonate wurden viele Deportierte in die
Obsthaine rund um das Lager und auch in andere angrenzende
Gemeinden geschickt, um Äpfel zu pflücken. Eine weitere
Arbeit, die den Deportierten zugewiesen wurde, war die Entfernung
der Trümmer im Stadtzentrum nach Bombenangriffen und die
Sprengung von nicht explodierten Bomben. Viele deportierte Frauen
arbeiteten im Militärkrankenhaus, wo sie Zelte herstellten;
andere übernahmen den Putzdienst in den Wohnungen der SS in
der Nähe des Lagers.
Der interne Widerstand und die Kontakte nach
außen
Einige Deportierte hatten politische Gruppen gebildet und im Lager
ein geheimes Widerstandskomitee ins Leben gerufen.
Die vom besagten Komitee durchgeführten Tätigkeiten waren
wahrscheinlich vorwiegend auf die moralische und materielle
Unterstützung der Mithäftlinge - Verteilung von
Nahrungsmitteln, Zigaretten, Geld - sowie auf die Organisation von
Fluchtversuchen ausgerichtet.
Zahlreiche spontane Solidaritätsaktionen fanden auch von
Seiten eines Teils der Zivilbevölkerung Bozens statt, vor
allem von Seiten der Einwohner des Stadtviertels der "Semirurali".
Besonders stark setzten sich zwei Priester des Stadtviertels -
unterstützt von den Einwohnern und vom Mailänder Kardinal
Ildefonso Schuster - für die Häftlinge ein, indem sie
Briefe, Geld und Nahrungsmittel einsammelten, die sie dann auf
verschiedene Wege ins Lager hineinschmuggelten.
Ein außerordentliches, einmaliges Ereignis war der offizielle
Besuch von Monsignor Gerolamo Bortignon, dem apostolischen
Verwalter der Diozöse Belluno und Feltre, im Bozner Lager am
Gründonnerstag 1945: Monsignor Bortignon hatte den Wunsch
geäußert, allen Deportierten und insbesondere den
Mitgliedern seiner Diözese Trost zu spenden, und darauf hin
auf dem Appellplatz des Lagers einen Gottesdienst abgehalten.
Originaldokumente: offizielle und heimliche Briefe, Geld
aus dem Lager
Im Bozner Lager gab es vorgedrucktes Briefpapier, aber nicht alle
Häftlinge durften davon Gebrauch machen. Der Grund dafür
ist noch unbekannt. Auf jeden Fall wurden die Briefe der
Häftlinge aus dem Lager über die Zivilpost verschickt,
und nicht über die Militärpost. Sämtliche Briefe
oder Karten, die offiziell aus dem Bozner Lager verschickt wurden
oder dort eingingen, wurden vom Lagerpersonal gelesen und
zensuriert.
Gewalt im Lager
Obwohl es im Lager Bozen auch Fälle körperlicher Gewalt
gab, die zum Glück nur einen Teil der Häftlinge betraf,
litten alle Häftlinge unter einem starken seelischen Druck.
Sie waren ganz plötzlich aus ihrer Familie und ihrem Leben
gerissen worden, oft ohne jedwede Erklärung, waren dann in
einem oder mehreren Gefängnissen gelandet und
schließlich ins Bozner Lager überführt worden. Sie
waren einer Gewalt ausgesetzt, die sie der Gesellschaft entrissen
hatte, und waren sich bewusst, dass sie in jedem Augenblick mit
einem noch viel schlimmeren Schicksal rechnen mussten. Aus den
schriftlichen und mündlichen Erinnerungen von ehemaligen
Deportierten erfahren wir, dass körperliche Gewalt
insbesondere von den beiden bereits genannten Ukrainern angewandt
wurde. Darüber hat die Militäranwaltschaft von Verona
vertiefend ermittelt (Seifert-Prozess). Die beiden Ukrainer
übten ihre Gewalttaten im Zellenblock, d.h. im Gefängnis
des Lagers, aus.
Aus den Zeugenaussagen wissen wir, dass es ein paar Häftlingen
gelang, aus dem Lager Bozen und aus den Zwangsarbeitsstätten
zu fliehen, zum Teil dank Hilfe von außen. Anderen
Deportierten gelang der Fluchtversuch hingegen nicht. Sie wurden
erwischt und ins Lager zurückgeführt, wo sie brutal
bestraft wurden.
Dauerhafte Lagerinsassen und Transithäftlinge
Ein weiterer Aspekt, der das Lager Bozen kennzeichnet, ist
die Tatsache, dass ein Teil der Häftlinge, die dem Lager
zugeführt wurden, die gesamte Zeit ihrer Deportation in Bozen
verbrachten, während ein anderer Teil in die Lager jenseits
der Alpen überführt wurde.
Ausgehend vom gegenwärtigen Stand der Forschung ist es
unmöglich, genaue und überprüfbare Angaben über
die Gesamtanzahl der Personen, die ins Lager Bozen deportiert
wurden, zu liefern. Genau so unmöglich ist es, den genauen
Prozentsatz der stabilen Lagerinsassen und jenen der
Transithäftlinge festzulegen. Schätzungsweise sind einige
tausende Männer und Frauen durch das Lager Bozen
passiert.
Die Abtransporte
Die Abtransporte von Deportierten, die nachträglich
auf der Grundlage der Erzählungen und Aussagen der Zeitzeugen
rekonstruiert werden konnten, waren insgesamt dreizehn und fanden
vom 5. August 1944 bis zum 22. März 1945 statt.
Fünf Züge hatten das Lager Mauthausen zum Ziel, drei
Flossenbürg, zwei Dachau, zwei Ravensbrück und einer das
KZ Auschwitz. Die Züge fuhren fast alle vom Bahngleis ab, der
sich in der heutigen Pacinottistraße in der Industriezone
befindet, sowie wahrscheinlich vom Hauptbahnhof.
Die Auflösung des Lagers
Zwischen dem 28. April und dem 3. Mai 1945 löste der
deutsche Kommandostab, der die Einrichtung geführt hatte, das
Lager Bozen wieder auf. Fast alle Häftlinge, die sich in jenen
Tagen noch im Lager befanden, erhielten einen vom Kommandanten
Titho unterzeichneten Entlassungsschein auf vorgedrucktem Papier.
Keinen solchen Schein erhielten hingegen jene, die sich bei der
Entlassung in den Nebenlagern befanden.
Aus einigen Erzählungen geht hervor, dass in den Tagen gleich
vor dem 28. April eine Delegation des Roten Kreuzes auf dem
Appellplatz des Lagers vorstellig wurde. Einige Zeugen berichten,
dass die Delegation Dokumente mit sich führte, während
andere behaupten, sie hätte die Deportierten mit dem gelben
Dreieck befreit und aus dem Lager begleitet.
Nach dem Krieg
Nach Kriegsende kehrten viele Zivildeportierte und
Militärhäftlinge aus den Lagern jenseits der Alpen nach
Südtirol zurück. An zahlreichen Orten der Stadt Bozen
richteten das Rote Kreuz und andere, insbesondere religiöse
Vereine Erste-Hilfe-Stationen für die Heimkehrenden ein. Im
Sommer 1945 wurden in den Gebäuden des ehemaligen Lagers Bozen
deutsche Soldaten inhaftiert, die von den Amerikanern gefangen
genommen worden waren.
In den nachfolgenden Jahren wurden im Gelände des ehemaligen
Lagers zuerst Freizeit- und Schuleinrichtungen für Kinder und
Jugendliche eingerichtet, später (bis 1968) wurden in den
Gebäuden hunderte obdachlose Bozner Familien untergebracht,
deren Häuser von den Bomben zerstört worden waren.
Von der gesamten Geschichte des Lagers ist heute nur ein einziges
"Baudokument" erhalten geblieben. Es handelt sich um die
Umzäunungsmauer, die unter Denkmalschutz steht.
Text: Carla Giacomozzi und Giuseppe Paleari
Veröffentlicht im "Dizionario dell'Olocausto" (Eintrag
"Bolzano", S. 96-99), © 2004 Giulio Einaudi editore AG, Turin.
Sämtliche Rechte vorbehalten.