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Das Auffang- und Arbeitserziehungslager Innsbruck-Reichenau von 1941 bis 1945"
von Johannes Breit, Absam i. Tirol Tag des Gedenkens 2008 - Tagung Zwei Recherchen zur Stadtgeschichte von Bozen und Innsbruck"
Das Arbeitserziehungslager Innsbruck-Reichenau war eines der vielen den Nationalsozialismus kennzeichnenden Lager vor unserer Haustüre. Es hatte eine Ausdehnung, die über zwei Fußballfelder ging, war in unmittelbarer Nachbarschaft des Gasthauses Sandwirt, eines beliebten Ausflugsziels, und die Arbeitskolonnen der Häftlinge waren auf zahlreichen Baustellen in der ganzen Stadt zu sehen.
Warum dieses Lager in der lokalen Erinnerung kaum präsent ist und warum die zahlreichen Opfer des Lagers Reichenau weitgehend unbekannt geblieben sind, hängt mit dem Zweck und der Art dieses Lagers zusammen.
Gegründet wurde es 1941 als Auffanglager für italienische Arbeiter, die zu Tausenden von ihren Arbeitsstellen im Dritten Reich zurück nach Italien flüchteten. Das faschistische Italien hatte im Austausch gegen Rohstoffe dem nationalsozialistischen Deutschland zehntausende Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Für diejenigen, die sich schlechter Behandlung, mangelnder Ernährung und Rechtlosigkeit an ihren Arbeitsplätzen im Dritten Reich entziehen wollten, war die Brenner-Grenze und damit Innsbruck eine entscheidende Station für ihre Flucht. Daher entstand in der Reichenau 1941 dieses Auffanglager, in dem die Flüchtenden interniert wurden.
Im Frühjahr 1942 begannen die deutschen Behörden in den besetzten Gebieten in großem Umfang Arbeitskräfte für die Kriegsrüstung unter Zwang zu rekrutieren. In Tirol trafen laufend Transporte, vor allem aus der Ukraine und Weissrussland mit vorwiegend jugendlichen Zwangsarbeitern ein. Im bis ins Detail ausformulierten und auf der Basis der rassistischen Herrschaft erstellten Strafsystem für Zwangsarbeiter wurde das Lager Reichenau von der Gestapo Innsbruck zum so genannten »Arbeitserziehungslager« gemacht.
Arbeitserziehungslager dienten im Gegensatz zu Konzentrationslagern nicht der »Vernichtung durch Arbeit«, sondern dienten dazu, dass die Arbeitskraft der eingewiesenen Zwangsarbeiter auch während ihrer Haftzeit zur Verfügung stand. Verschärfte Bedingungen in den Arbeitskommandos des Lagers gepaart mit permanenten Misshandlungen durch das Lagerpersonal sollten Einschüchterung und Wohlverhalten nach Ablauf der Haft bewirken.
Im Jahr 1943 wurde das Lager Reichenau zum Durchgangslager. Deutsche Truppen besetzten im September Norditalien und begannen - so wie sie es in jedem von ihnen besetzten Gebiet gemacht hatten - mit der Deportation von jüdischen Bürgern, Arbeitskräften und politischen Gegnern. Wahrscheinlich wurden zahlreiche Deportationstransporte aus Norditalien über Innsbruck und über das Lager Reichenau geführt. Für viele Italiener war das Lager Reichenau somit die erste Station auf dem Weg in die deutschen Konzentrationslager.
Aber auch für Gegner des Nationalsozialismus in Tirol diente das Lager Reichenau als Haftlager. 1945, unmittelbar vor der Befreiung Anfang Mai, sollten noch über hundert Mitglieder des Tiroler Widerstandes, die hier inhaftiert waren, am Rennweg, mitten in der Stadt, zur Abschreckung aufgehängt werden. Die vorrückenden amerikanischen Truppen retteten ihnen das Leben.
In einem Durchgangslager, in einem Arbeitserziehungslager war es für Häftlinge fast unmöglich, sich zu organisieren. Die Haftdauer war oft zu kurz, die Häftlinge nach Nationalität isoliert. Im Gegensatz zu zahlreichen Konzentrationslagern haben sich nach der Befreiung kaum Lagergemeinschaften von ehemaligen Häftlingen aus Arbeitserziehungslagern gebildet. Die Lagergemeinschaften waren es aber, die den Grundstein für die öffentliche Erinnerung gelegt haben. In Innsbruck hat es bis Anfang der siebziger Jahre gedauert, bis ein Denkmal am ehemaligen Lagerareal errichtet wurde.
Zum Abschluss möchte ich hier an ein spezielles Arbeitskommando des Lagers erinnern - an das Bombenkommando. Vorwiegend italienische Häftlinge des Lagers Reichenau wurden seit den ersten Bombenangriffen auf Innsbruck im Dezember 1943 gezwungen, die zahlreichen Blindgänger zu bergen und Langzeitzünderbomben zu entschärfen. Diese Bomben waren bis zu sechs Tage lang scharf und stellten damit eine tödliche Falle für die Menschen dar, die nach einem Bombenangriff aus den Luftschutzbunkern wieder auf die Straße kamen. Eine falsche Bewegung beim Entschärfen konnte das Leben kosten.