Der neue Sozialplan zur Lebensqualität
Genehmigt mit Gemeinderatsbeschluss Nr. 70 vom 21.6.2011, vollstreckbar ab 4.7.2011
Aus einer neuen und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen der
Stadtverwaltung, der Freien Universität Bozen und der
Bürgerschaft das aktuelle Abbild der Stadt und der
Stadtviertel mit allen Stärken und Schwachpunkten. Leitlinien
für die künftige Entwicklung zu einer Gemeinschaft, die
zusammenhält.
Zur leichteren Bezugnahme, wird der Plan in die Webseite
sowohl in seiner Gesamtheit (siehe unten) als
auch in die drei Hauptbereiche dargestellt:
>
Forschungszeitraum 2009-2011
> Stadtviertel
> Leitlinien
2011-2015.
Warum einen Sozialplan zur Lebensqualität?
Die regelmäßig stattfindenden Untersuchungen
durch spezielle Agenturen bestätigen Bozen immer wieder als
die Stadt, die italienweit auf den ersten Plätzen landet, wenn
es um Lebensqualität und Zufriedenheit mit den
Dienstleistungen geht. Aber damit hat unsere Stadtverwaltung ihr
Ziel noch nicht erreicht. Die Veränderungen in
wirtschaftlicher, demographischer und sozialer Hinsicht erfordern
eine aufmerksame und möglichst weit blickende Planung von
Maßnahmen der Stadtverwaltung, damit die Lebensqualität
in unserer Stadt hoch bleibt und niemand ausgeschlossen wird.
Deshalb hat die Stadt in den letzten Jahren beschlossen, Pläne
auszuarbeiten, nach welchen sich die Entwicklung der Stadt
ausrichten kann, angefangen beim Strategischen Entwicklungsplan
über die verschiedenen Sozialpläne der Vergangenheit, die
Fachpläne, den Masterplan bis zum Mobilitätsplan, den
CO2-Plan usw.
Was unterscheidet diesen neuen Sozialplan zur
Lebensqualität von früheren Planungsinstrumenten für
den Sozialbereich und für die Förderung der
Lebensqualität?
Dieser Plan entsteht aus dem Bedürfnis, die Stadt und ihre
Veränderungen über die Stimme der BürgerInnen
kennenzulernen, über deren Alltagserfahrungen. Ein
Forscherteam der Freien Universität Bozen unter der Leitung
von Prof. Ilaria Riccioni, Dozentin für Soziologie und Autorin
des Plans, hat zu diesem Zweck 250 vertiefende Interviews mit
Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlichen Alters,
sozialer und ethnischer Zugehörigkeit geführt auch unter
Miteinbeziehung der neuen BürgerInnen, die aus allen Teilen
der Welt zugewandert sind: Es handelt sich um normale
Bürgerinnen und Bürger, die nach dem Zufallsprinzip
ausgewählt wurden, andere wurden durch Vereine kontaktiert,
dazu kamen ausgewählte InterviewpartnerInnen, welche aufgrund
ihrer Tätgikeit einen umfassenderen Blick auf das
Sozialgefüge der Stadt haben.
Welches Bild der Stadt Bozen haben diese Interviews
ergeben?
Grundsätzlich eine Bestätigung der guten
Lebensqualität, eine allgemeine Wertschätzung für
unsere Stadt, vor allem was die Ruhe anbelangt, die Ordnung,
Sauberkeit und Sicherheit. Auch die Radmobilität gefällt
und die Effizienz der Dienste und der öffentlichen
Einrichtungen.
Anlass zu Kritik gaben: eine ausgeprägte Bürokratie, zu
wenig Dialog zwischen Institutionen und Bürgerinnen und
Bürgern, die sich in die Entscheidungsprozesse der Stadt nicht
miteinbezogen fühlen, die Öffnungszeiten der Dienste
seien zu verbessern in einem urbanen Kontext, der nur auf dem
Papier polyzentrisch ist. Nicht wegzuleugnen ist auch ein Unbehagen
der Jugend: die Jugendlichen fühlen sich nicht ernst genommen,
sie beklagen sich darüber, dass es zu wenig Räume gibt,
an denen sie sich spontan treffen können, wenn man von den
"geregelten" der Jugendzentren absieht: wenige und zu teure
Studentenwohnungen, wenig Alternativen zu den Lokalen im Zentrum,
wenig Räumlichkeiten zum Musizieren und sich künstlerisch
auszudrücken. Vor allem die Jugendlichen empfinden die geringe
Verflechtung der beiden historischen Sprachgruppen als negativ. Zu
diesem bereits wenig gefestigten Fundament kommen die neuen Gruppen
der zugewanderten BürgerInnen hinzu, welche die Situation noch
komplexer werden lassen. Dieser soziale Aspekt muss, so die
Leitlinien und Maßnahmen des Plans, von Politik und
Verwaltung mit großer Aufmerksamkeit beobachtet und behandelt
werden, damit sich daraus nicht ein sozialer Notstand entwickelt.
Man müsse mehr Informationen geben, die Beziehungen zwischen
den Gruppierungen fördern, damit das Phänomen der
Zuwanderung seine Potentiale als Bereicherung entfalten kann,
ausgehend von der Jugend, die am leichtesten für
Veränderungen zu gewinnen ist, auch weil sie die Situation
bereits alltäglich lebt.
Welche anderen Ratschläge bietet der Plan der
öffentlichen Verwaltung?
Vor allem ist ein bewußterer und vertiefter Dialog
zwischen der Stadt Bozen und der Landesverwaltung notwendig, in
welchem auch der Besonderheiten der Landeshauptstadt Rechnung
getragen wird; sie muss anders behandelt werden als andere
Gemeinden Südtirols.
Mehr Aufmerksamkeit der Jugend gegenüber. Für sie sollen
mehr offene Räume in den Stadtvierteln geschaffen werden, ihr
kreativer Geist soll gefördert werden um auch eine Kultur zu
fördern, die von der Basis kommt.
Außerdem ist es nötig, eine stärkere Zusammenarbeit
zwischen den Vereinigungen zu fördern, weil diese oft zu
autonom agieren: Synergien sollen gefördert werden, auch
Versuche sich zu vernetzen, Solidarität zwischen Gruppen und
Generationen aufzubauen. Aus den Interviews ist hervorgegeangen,
dass die soziale Kohäsion fehlt, es eine Neigung gibt, sich
anderen gegenüber zu verschließen, beispielweise
gegenüber älteren Menschen, was häufig Vereinsamung
zur Folge hat.
Die Stadt sollte die Mechanismen zur Miteinbeziehung der
Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungen
stärken, beispielsweise durch die Bürgerzentren, sie
sollte, wo es möglich ist, auf das Bedürfnis nach
persönlicheren Diensten eingehen, der polyzentrischen Stadt
mehr Gewicht geben, den dezentralen Diensten, den flexiblen
Öffnungszeiten.
Was die Sozialdienste anbelangt, sollte die Stadtverwaltung die
Regie wieder übernehmen, die Weiterbildung des Personals auf
spezifische Problemstellungen fokussieren, den Personalwechsel
reduzieren, eine Personalisierung von Diensten unterstützen,
vor allem wenn diese darauf ausgerichtet sind, Menschen in eine
selbständige Lebensweise zu begleiten. Es ist wichtig, mehr
Informationen zu geben, um zu verhindern, dass Hilfesuche
stigmatisiert wird; diese Stigmatisierung hält manchmal
Menschen von den benötigten Diensten fern, weil sie sich
schämen, die eigene Schwäche zu zeigen.
Anlagen:
- Sozialplan zur Lebensqualität 2011 (File pdf, 82.702 Kilobyte)